Übersetzung aus «Mylène Farmer – Mystérieuse sylphide» von David Marguet, © Editions la Mascara, 2000
(Übersetzung durch Peter Marwitz)
Prélude-Bild

Auftakt

«Die Seltenheit meiner Auftritte im Fernsehen hat nichts mit meinem Wunsch, das Geheimnis oder dessen Mangel „aufrechtzuerhalten“, zu tun, sondern mit meinen Ansprüchen. Ich sehe nicht, warum ich nicht die extreme Schärfe/Unerbittlichkeit akzeptieren sollte, die ich (auch) in meinem Beruf an den Tag lege, sei es beim Aufnehmen eines Titels oder beim Drehen eines Clips, und statt dessen Opfer der Versäumnisse auf dem Gebiet des Tons oder der Kameraeinstellungen werden sollte. Ich habe das niemals hingenommen, auch als ich noch nicht so bekannt war.»



ylène Farmer gehört, mit Jean-Jacques Goldman und Francis Cabrel, zu den wenigen Künstlern, die nicht den Freuden/Verlockungen des Fernsehens verfallen sind. In der Tat hat Mylène es verstanden, sich die Plattformen für (solche) Aufnahmen zu wünschen, sich eine zu große Medienpräsenz vorzuenthalten, um sich und ihre Karriere und ihre Persönlichkeit zu schützen. Klar, die Anfänge einer jungen Künstlerin sind nicht immer einfach, zwingen sie dazu, eine recht große Anzahl von Sendungen hier und dort zu akzeptieren. Aber als der Erfolg eintrat, entschied Mylène sich, sich zunehmend rarer zu machen, so daß jede Sendung ein kleines Ereignis ist. Hier dennoch eine nicht vollständige Retrospektive ihrer Auftritte auf dem Bildschirm.

Platine 45: (1985) Bei diesem Auftritt fühlt Mylène sich vertraut, weil Jacky, ein Freund, an ihrer Seite ist. Sie zeigt sich einige Male, indem sie ihre neuen Titel vorstellt, und jeder ihrer Einsätze zeigt uns eine lächelnde und verspielte Frau, die sich einen Spaß aus ihren Liedern und dem Künstlerleben macht. Sie wagt sich sogar an das Spiel, Jacky so oft wie er will zu küssen, und hinterläßt dabei jede Menge Lippenstift auf seinem Gesicht. Diese Augenblicke des Spotts sind selten.

Sexy Folies: Diese Sendung ist die hitzigste/rebellischste, in der Mylène sich wie nie sonst offenbart. Die Rolle der Moderatorin besteht darin, die Stars dazu zu bringen, ihre intimsten und geheimsten Gedanken zuzugeben. Mylène akzeptiert es, sich zu entblößen, indem sie einige ihrer Fantasmen gesteht (Liebe in einem Fahrstuhl zu machen, die Abstinenz der Priester...), ihr erstes Mal – mühsam ??? («selon l’interessée» – entsprechend den Interessen??) – und ihr Verlangen nach Polygamie. Sie gesteht auch, es zu lieben, von den Männern, die sie trifft, dominiert, bedrängt zu werden und Gewalt angetan zu bekommen, und flüstert, daß sie sogar deren Köpfe abschneiden möchte, «weil ich sie nicht liebe». Der Ton/Stil ist vorgegeben!

Mon zenith à moi... toute seule (Mein eigener Zenith, mir ganz allein gehörend): 1987 wird eine ebenso lange Sendung komplett Mylène gewidmet. Um kein Detail dem Zufall zu überlassen, arbeitet sie Tag und Nacht daran, weil sie möchte, daß diese Sendung ihrem Universum, ihren Bestrebungen so nah wie möglich kommt. Ein Schimpanse wird ins Studio „eingeladen” (Mylène liebt diese Tiere, sie besitzt auch ein Kapuzineräffchen). Aber der Stress der Kameras, die Leute, die im Studio herumlaufen, machen ihm Angst und er beißt Mylène in die Hand! Zouk hat ebenfalls einen schönen Auftritt. Schweizer Künstlerin mit mehreren Dämonen, ist sie bei den Dreharbeiten zu Sans contrefaçon eine Freundin Mylènes geworden. «Sie ist jemand, der die Gesten, die Stimme und vor allem die Stille besitzt... Sie ist für mich eine Bergman’sche Persönlichkeit», gesteht Mylène. Sie zeigt hier auch Bilder vom Hôpital de Garches, dort, wo sie als kleines Mädchen hinging, um sich ein wenig Hoffnung bei dem Lächeln und den Blicken der kranken Kinder zu verschaffen... Eine sehr schöne Sendung. [Anm. PM: einige interesante Punkte verschweigt der Autor hier allerdings. So läßt Mylène u.a. auch Filmausschnitte von Amnesty International zeigen, in denen man reale Hinrichtungen, Menschen mit abgeschnittenen Köpfen u.ä. sieht. Außerdem werden einige Szenen aus einem russischen Kinofilm vorgeführt, in dem ein russisches Dorf im zweiten Weltkrieg von den Nazis massakriert wurde und man auch jede Menge Leichen sieht... also eine sehr happige Sendung! Nicht im eigentlichen Sinne „schön”...]

Sacrée Soirée: Praktisch eine Pflichtveranstaltung, selbst für eine Künstlerin wie Mylène Farmer. Ihr eindrücklichster Auftritt war ganz sicher derjenige, wo sie Ainsi soit je... vorträgt. Jean-Pierre Foucault zeigt Mylène, dank der Mithilfe ihres Managers Bertrand Le Page, einige Bilder ihrer Kindheit, umgeben von ihren Brüdern und der Schwester, als sich die gesamte Familie Farmer noch in Kanada aufhielt. Starke Gefühle lösen sich in Mylène, die zu Tränen führen... Ein sehr bewegender Moment für alle.

Star 90: Michel Drucker gehört zu den wenigen Moderatoren, zu denen Mylène freiwillig geht, weil er es versteht, ihr Vertrauen zu vermitteln. Als Ehrengast anläßlich des Ereignisses der Veröffentlichung ihrer Désenchantée-Single, gesteht Mylène ein ausgesprochenes Faible für Kleidung, bevor sie einen zweiten Titel vorträgt, L’autre... Und bei der Gelegenheit eines Specials über (Luc) Besson hat Mylène ebenfalls einen kleinen Auftritt und erzählt von ihrer Reise ins Packeis, Ort der Dreharbeiten zu Atlantis. Es werden auch einige private Bilder ausgestrahlt, bei denen man Mylène umgeben von kleinen ??? («Inuits») sieht. «Eine schöne und fruchtbare Reise. Ihr Spitzname auf dem weißen Kontinent: der kleine Fuchs (? «renard»)», sagt Luc Besson. Während ihres Auftritts für Que mon cœur lâche [zwei Jahre später] empfängt Mylène aus der Hand von Michael Drucker die Diamant-Schallplatte für die Verkäufe des Albums L’autre... . Leider wurde die Sendung eingestellt; aber die Erinnerungen bleiben!

Pour un clip avec toi (Für einen Clip mit dir): 1991 ändert Mylène ihren Look komplett: kurze Haare und jungenhafte Frisur. Laurent Boyer, der Freund der Stars, schafft es, eine Einladung zu den Dreharbeiten zum Clip Desenchantée in Ungarn zu erhalten. Er interviewt die „neue” Mylène, die sich zum ersten Mal für eine derartig lange Zeit offenbart. Sie erzählt von der ersten Tour, dem Schreiben ihres Albums L’autre..., aber auch von ihrem Kino-Geschmack und ihren Problemen mit dem Leben. Dank dieser Begegnung wurde außerdem Fréquenstar [eine französ. Sendung, nehme ich an; PM] aus der Taufe gehoben!

Paris Première: Eine der schönsten Sendungen mit Mylène. Mylène wird in einem „Blasen”-Studio interviewt und ist umgeben von ihren Fans. Gekleidet in eine blaue Kombination sagt sie, daß sie von Paul Amar [ein Modeschöpfer?] verführt zu sein. Am Vorabend ihrer großen Rückkehr auf die Bühne (im Jahr 1996) spricht sie mit Ernsthaftigkeit von ihrer Karriere, dem Universum, das sie um sich herum errichtet hat, genauso wie von ihrem Exil in den USA: «Ich bin für ein Jahr aus Frankreich geflüchtet. Ich habe versucht, meinen Beruf zu vergessen, sogar mich selbst in einer gewissen Weise zu vergessen, versucht, verschiedene Dinge zu entdecken.»

Tip-Top: Präsentiert von Eric Jeanjean und Nathalie Siom, hat diese Sendung als Taufpatin Mylène Farmer gehabt. In der Tat akzeptierte Mylène einige Wochen nach ihrem Unfall bei dem Konzert in Lyon der Ehrengast bei der ersten Sendung zu sein. Sie trägt hier Comme j’ai mal und dann im Duett mit Khaled La poupée qui fait non vor. Das Verständnis zwischen den beiden Künstlern ist perfekt. Dieses Duett, zunächst sehr überraschend, wird ein wahrer Erfolg, alle Welt wünscht sich, daß es als Single erscheint (ein Versprechen, das 1997 eingelöst wird, als erste Auskopplung aus Live à Bercy).

Les Années Tubes: Trotz der Popularität dieser Sendung ist Mylène hier nur sehr selten aufgetreten. Ihr erstes Erscheinen fand 1996 anläßlich der Promotion für ihre 1996er Tournee statt. Einen ihrer alten Hits, Sans contrefaçon, vortragend erobert Mylène das Publikum im Sturm. Es folgt ein lasziver Tanz mit einem ihrer Tänzer zu California. «Er ist sexy, der Himmel von Kalifornien...» Sie hat hier (drei Jahre später) noch einen weiteren Auftritt, stark erwartet, um ihr neues Lied L’âme-stram-gram vorzustellen. Eingerahmt von acht Tänzern, bekommt sie von der Menge Standing Ovations! «Ich höre alles, was du säuselst / Und der Schwarm schlägt den Rhythmus»!

Tapis Rouge (Roter Teppich): Während ihre Mylenium Tour sehr gut anläuft, macht Mylène einen kleinen Umweg zu Michel Drucker, um hier Souviens-toi du jour... zu singen, genauso wie eine neue Version von Pourvu qu’elles soient douces. Leicht mit einem schwarzen Korsett bekleidet, intoniert sie diese Hymne an die perversen Lüste, begeleitet von ihren Tänzern. Auf der Bühne herrscht eine knisternde Atmosphäre! Im Augenblick des Interviews findet Mylène keine Worte mehr, aber das Publikum, von ihr überzeugt, applaudiert ihr aufs schönste. Es scheint sogar, daß Enrique Iglesias, von der Schönen bezaubert, sie um ein Treffen hinter den Kulissen bittet.

NRJ Music Awards: Kaum daß das Jahr 2000 erreicht ist, sieht sich Mylène Farmer bereits im Palais des Festivals in Cannes als Beste Französische Künstlerin des Jahres geehrt! Nachdem sie wieder und immer wieder (... freiwillig?) bei den Victoires de la Musique übergangen wurde, zeigt sie es allen Kritikern! Sie erhält auch noch zwei weitere Awards, den für das beste Album des Jahres (Innamoramento) und für das beste Konzert des Jahres, in diesem Falle von einer Jury aus Konzert-Profis verliehen. Ein wahrer Triumph für den Star, die anschließend Optimistique-moi anstimmt. «Ich möchte Ihnen zuallererst sagen, daß ich sehr geehrt bin, diesen Preis zu empfangen, selbst wenn die Idee der Ehrung mir ein wenig fremd ist... Ich möchte auch dem Publikum dafür danken, dieses Album in dieser Art aufgenommen zu haben. Jedes Album ist für mich ein Stück des Lebens, das ich in eine Partitur bringe. Die Erstellung dieses Albums war schwieriger als die vorangegangenen, vielleicht aus Angst, keine Menschen zu finden, die mich mögen... die Angst vor Enttäuschung ebenfalls. Ich habe diesen Beruf gewählt... Ich hatte das Glück, vor einigen Jahren eine Antwort zu finden, einen Dialog, manchmal eine Kommunion/Glaubensgemeinschaft... Schließlich möchte ich Ihnen sagen, daß ich Worte liebe. Ich liebe es sie mit den anderen zu teilen... dem anderen! Ich liebe diesen Moment jetzt und ich liebe auch diejenigen, die mich lieben. Vielen Dank!»

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Kapitel 5
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Mylène FArmer