Übersetzung aus Mylène Farmer «Lisa – Loup et le conteur» © Editions Anne Carrière 2003

(Übersetzung durch Monique Dollinger; Mitarbeit durch Peter Marwitz)





Abschnitt 11 – Das Krankenhaus

Krankenhäuser gibt es überall,
aber ein kleines Mädchen mit Glasknochen, dort...
ist viel seltener.


Sie heißt Loulia, redet nicht die selbe Sprache wie Lisa, sie macht „tchhhe” und „chhtte”, also etwas komische Sachen. Lisa hatte noch nie so ein zerbrechliches Mädchen getroffen.

Sie wurde diesen Morgen in Staunen versetzt von einem Mann mit weißer Bluse, der von Loulias Krankheit redete...
KRANKHEIT????
Wie kann man dieses „ganz rote” Wort aussprechen, wenn man von einem Geschenk redet!??

„Glasknochen, das ist doch das Geschenk, sie sind viel leichter als Knochen, als der KNOCHEN, denkt Lisa... Glasknochen sind wie der Vogel, den man auf das Regal von Großmutter setzt und sie sagte die ganze Zeit:

«Eines Tages wird er dir sein, er wurde mir von einem König geschenkt... Das ist einmalig.» (Ich nehme an, dass der König Großvater war?)“

Kurz gesagt,
Loulia ging jedesmal kaputt, wenn sie irgendwo dagegen stieß...
und wenn sie sich anstieß,
ging sie
kaputt.
Also ausgeschlossen von Kinderspielen! Das ist erschreckend!
Und noch dazu keine Eltern!

„Man muss etwas tun!” sagt Lisa. „Du, Spinne, du kannst ihr das Leben retten! Wenn du sie mit deinem Faden einspinnst, dann ist sie geschützt.”

„??????????????????” Die Versammlung bleibt der Mund offen stehen...

„Aber ja! Wie die Puppe vom Schmetterling oder die Mumien des Pharaons!”

„Aber man braucht Tonnen von Fäden und ich werde mein Leben verlieren, wenn ich ihr einen großen Mantel nähe!”

„Aber das Leben hängt nur an einem Faden! Es ist kostbar und du bist meine Freundin... und sollst ihr dieses Geschenk machen!” erwidert Lisa.


Die verdriessliche Spinne, die aber ein Herz so groß wie das eines Elefanten aus dem Iran hat, lässt sich nicht lange bitten. Der hauchdünne Faden, selbst die Zeit war misstrauisch, überrascht sie und alle ihre Freunde:

UND KAUM EINEN MOMENT SPÄTER STRICKT SIE BIS ZUM TOD
EINEN WUNDERVOLLEN MANTEL AUS ORGANZA-GEWEBE.


Loulia ist gerettet!
(Tot ist die Spinne)

„Wir werden sie ganz in der Nähe von Großmutter begraben, sie können zusammen reden und sogar stricken”, sagt Lisa, träge, sich nicht von dem Verlust ihres Freudes rühren zu lassen.

Und alle beschließen dieses neue Leben zu feiern und noch auf russische Art anzustoßen!

„Ah ja? Und wie ist das auf Russisch?” fragt der Hase Martin.
„Man leert das Glas auf einen Zug und wirft es dann hinter seiner Schulter weg...” sagt Lisa.
„... Und das Glas zerfällt in 1000 Splitter...” übertreibt Loulia, in einem Ausbruch der Freude. (Loup, der ganz platt ist, hat sich schon betrunken!)

Es ist für alle die Zeit gekommen sich auf Wiedersehen zu sagen.
Die Recherchen soll man verfolgen... Und da, Loulia ist ein bisschen kalt, LOULIA IST TOTMÜDE. Nein, sie hat nicht den Mann gesehen, den Lisa sucht.

„Aber manchmal...” sagt sie mit einer klaren Stimme,
„langt es in den Zeichen zu suchen...” (ihre Großmutter war Astrologin...)
„Ich glaube, man sagt wie t...çha!...” niest sie, weil ihr kalt geworden ist.

Man muss gehen.

Sie werden sich ohne Zweifel nie wieder sehen, aber sie werden sich auch nie vergessen! Das Gedächtnis ist das des Herzen und dauert länger als eine Stunde!

Loulia bleibt in ihrem gebrannt für die Ewigkeit.
(Selbst wenn Ewigkeit ein erfundenes Wort ist!)



„Es ist zu schwer sich nicht umzudrehen”, denkt Lisa brüchig, als sie das Krankenhauszimmer verlässt. „Ich hätte sie gerne mit uns mitgenommen; sie war, nach allem, viel leichter als ein Stein! In meiner Tasche hätte sie sich verkriechen können und nicht mehr daran zweifeln müssen den Schlag kommen zu sehen!”

ABER SIE WISSEN ALLE, DASS DAS ÜBERLEBEN DA IST, ZWISCHEN DIESEN MAUERN, SELBST WENN SIE AUS RAUHPUTZ SIND... SELBST WENN SIE RISSE HABEN...

„DAS LEBEN IST HART!”

vertreibt Lisa, die Folgendes nicht mag:

1 – Weder die Krankheiten, die sich in der Nacht vermehren
2 – Noch die Parasiten, die einen Rundgang durch das Leben machen
3 – Noch weniger die Chemo, die die Worte zum Brechen bringt, obwohl, es ist schwer für denjenigen, der sie bekommt, an Morgen zu denken, weil Leben vergänglich ist.

Und dennoch hat Loulia Mut!

Aber mehr als alles: die Tollwut, die den Respekt von jedem unter uns verstärkt.

Nicht eine
WINZIGE TOLLWUT VON MOLAIRE,
nicht eine
ÜBERFLÜSSIGE TOLLWUT VON ZORN,
aber sicher eine
„IN SICH IN ALLE RICHTUNGEN AUSBREITENDE”
Tollwut des Lebens!
Nur die Schmerzen auf den Punkt gebracht haben etwas gemeinsam.

„Es ist schön, die Lust zu leben!” denkt Lisa in Übereinstimmung mit ihren drei Begleitern.

Alle verlassen das Krankenhaus mit einer Moral aus Metall! Sie werden sich schlagen und den Mann wiederfinden, denn nach allem, nichts verschmachtet sie außer ihren Streitigkeiten und ihren Erkältungen!!! Und alle befreien sich von ihrem Amboss – Humor...

Sofort gesagt, leicht wie Federn!


Arme Spinne! Sie ist nicht mehr in Form. Vielleicht bewusstlos? Ohne Zweifel ebenfalls für immer eingeschlafen?

„Wie Großmutter, die auf dem Friedhof ist...“ denkt Lisa, die ihre Freunde ein wenig energielos fixiert.

Es ist eine Logik von der nur die Kinder das Geheimnis haben, das die Truppe an einen Ort des Rückzuges befördert und sagt:

„Weil Großmutter zu Mute ist nach Bier und dass es ihr den Durst löscht...”

„??????????????????”... Alle Lippen blieben nach unten hängend...

„Also, lasst uns Wasser trinken, wir sind doch keine Kamele!” folgert sie nicht sehr stolz.

Man
muss wohl zugeben, dass die Schanden
den Appetit anregen
und sie haben dann auch noch
ein wenig Durst!


Dann probieren sie – die einen, um im Alkohol zu schwimmen, die anderen, ihre Beine entlastend –, ohne sich zu unterbrechen, auf der Terrasse eines großen Cafés zu verweilen.

Sie werden sicherlich zwei Stunden dort niedergeschlagen bleiben, mit leiser Stimme redend, weil Lisa sich müde fühlt! Und von Stunde zu Stunde wartete die bedenkende Stille nur auf eins:

AM HANG
HERVORBRECHEN,
GELEERT VON SEINEM GANZEN BLUT,
DEN BLAUEN FLECK AUFSCHLITZEND,
DAMIT ALLES EXPLODIERT!

Und was ist besser als ein Dickbauch, um die Atmosphäre zu entlasten?
Das Kriechende der Situation:
Die Rohrpfeife mit Membranen, der Regenwurm... der meckernde Wurm.

„Ich habe Fußschmerzen”, macht sich Humphrey Sorgen, der nur Milch trinkt.

„Sicherlich! Es ist sonderbar... zieh doch deine Schuhe aus!”, ironisiert die Spinne am Boden des Aschenbechers.



„DAS IST ES! SIE IST WIEDER AUFERSTANDEN!!!!!”

begeistert sich die Versammlung, die sich nicht mehr sehr sicher war...
(Selbst die sehr aristokratische Made umarmt ihre Einmündung, denn sie war berührt ihre Freundin wiederzusehen!)

„Du hast uns Angst gemacht“, sagt ihr Lisa, die ihre Hand auf dem Herzen hat. „Ich habe gut geglaubt, dass die TANNE nicht mehr weit ist!” (Wahrhaftig war der einzige Sarg, mit dem sie in Berührung gekommen ist, aus Tannenholz, aber aus erstklassigem Holz!)

„Ich entschuldige mich, dass ich mich entschuldige...” schimpft Humphrey, der schon die Umarmung vergessen hat. „Mir erscheint es, als mache eine Streichholzschachtel die Wirkung, niemand braucht einen Sarg aus Tannenholz, der viel zu schwer für den Menschen und für die Seele ist! Glaubt dem Tier!”

„Es ist angenehm!” antwortet Hase Martin „Humphrey wie immer!... Ich habe auch gedacht, dass sie nie wieder kommt!”

Loup, er, sagt nichts
(er ist in einem Mokka verloren, um die Schokolade erbleichen zu lassen!)


Das Spektakel von weitem ist eher wenig gemeinschaftlich: unser Kriechendes wendet sich ab, Lisa spiegelt sich im Napf und findet sich gewiss nicht schön, die „großen Ohren” sind von schönem Humor!
Zum Artisten (es ist gewöhnungsbedürftig), fehlt sie bei neuem beim Appell! Sie ist aus dem Aschenbecher gefallen und mit einem Salto ist sie umgeschwenkt auf den gräulichen Teer und berührt (noch total K.O.) mit der Nase den Asphalt.

„Welch eine Sorge!” sagt die Kleine, „welch eine Sorge! Du verlierst den Faden... und das Gleichgewicht! Ich sag es dir! Welch eine Sorge, Komm hierher zurück!” macht sich Lisa Sorgen „oder jemand wird dich noch töten!”

Daraufhin überfällt sie ein kleines Problem, ein Störenfried, ein nicht schönes Ding!

KEINE LETZTEN FÜR DIE RECHNUNG,
KEINE LETZTEN,
aber IMBISSE,
DIE SCHON ALLE HINUNTERGESCHLUNGEN WURDEN
UND DIE EUCH
INS GEFÄNGNIS
BRINGEN.


Nicht gerade lächelnde Gendarme sind gekommen, um die „Bösartigen” zu holen.

Zwei sind geflohen,
das Kriechende hat sich unverzüglich durch den „plötzlichen Tod” versteckt, weil Loup, der ganz platt ist, ohne große Schmerzen, seinen Zustand, anstelle von der Decke, wiedergefunden hat!

Was bleibt ihm zu befragen? Als feindlich zu sein und auch häßlich, der die Kleine beschuldigt ohne Schuldgefühle zu klauen:

Ein Bistrokellner,
der schlecht
nach Rülpsern riecht.

Bei ihm ist alles feucht, er redet so schnell und so schlecht, dass alles „fern von hier”... „LEBENDIG” wird!

Glücklicherweise wird Lisa sofort ins Gefängnis gebracht. Sie will nicht, dass sie ihre Freunde vernachlässigt zu haben scheint, sie versteht perfekt, dass es FEIGHEIT ist...
Wie soll man bei es „Zeichentrick” wollen?
Für Loup ist es ein bisschen anders... Aber Geduld und Länge der Zeit, können sie gut diskutieren, ohne die Lautstärke zu erheben und ohne die Zähne zu zeigen.

Lisa muss mit der Behörde Stunden um Stunden verhandeln, dass sie sie endlich in Freiheit lassen;

Lisa hat keine Papiere, keine Weidenkorb, sie ist nicht Rotkäppchen, weil Großmutter sich nicht bewegt... keine Streichhölzerverkäuferin, die auf den Plättchen endet, heißt auch nicht Cosette, noch sagt sie: „Ich bin weich.”

„SIE IST LISA, WILL TAUSENDE GESCHICHTEN UM IN DER NACHT EINZUSCHLAFEN UND IHREN GEIST ZU BEVÖLKERN, SIE WILL DEN MANN WIEDERFINDEN, DER VERSCHWUNDEN IST, SIE WILL IHNEN ZUSAMMENFASSEND SAGEN, WER ER IST: «DER MANN IHRES LEBENS».”

(Selbst wenn sie nicht so ganz versteht, was sie sagt.)

Wie jetzt alle Dinge im richtigen Moment passieren, will Lisa von diesem momentanen Augenblick profitieren, um diesen komischen Ort zu besuchen, den man auch: das „VERLIESS” nennt.

Verließe,
die sich wie Enten auf dem Wasser ausrichten,
Kolonnen ermorden, die den Keller durchsickern,
sich nach der Große ordnend, um umgeschaltete Rocker zu ernten,
in Lumpen, in verschmutzter Kleidung...
öffnen sich ihr in einer schmerzlichen Vorstellung!

„Man müsste solche Orte verbannen, oder wenigstens merken, dass man Besseres machen könnte?” denkt Lisa.

„Wie eine solche Konzentration von vereinsamten Seelen, kann sie vielleicht erste Morgen «versprechen»? Hatten sie, wie ich, kein Geld die Rechnung zu bezahlen? Und sind alle in Damengefängnisse geschickt worden. Weil sie Damen sind...”

(Lisa erinnert sich an ein Gespräch, dass ihre Großmutter mit einer Frau Henriette führte, eine sehr bedeckte Friseuse, die die Haare wäscht...)

„Nicht unbedingt Damen aus der großen Welt (das ist nicht schlimm), aber wenn man eine Dame ist, muss man da verführerisch sein? Und muss man wissen sich zu kleiden für die großen Feiern?

... Da, die Dame ist eine dreckige Verführerin!!! Sie stinkt an den Füßen und zieht sich schlecht an! Sie ist feucht und grau und schlecht frisiert, ihr Dach ist mit Ziegeln gemacht, die ganz abgenutzt sind.”

Es ist sehr traurig, aber so ist es!

Lisa ist bereit, den ersten Gefangenen, der ihr vor die Nase kommt, zu befragen, der nicht nur läuft!


Abschnitt 10
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Mylène FArmer