Übersetzung aus Mylène Farmer «Lisa – Loup et le conteur» © Editions Anne Carrière 2003

(Übersetzung durch Monique Dollinger)





Abschnitt 5 – In der Bibliothek



Lisa steuert also genauso trocken die Bibliothek an.


Sie glaubt fremde Geräusche zu hören, die sich anhören wie Geröchel.
Wie konnte ein „so kleines Mädchen” diesen so speziellen Klang identifizieren? Wenige Leute erkennen den Tod wieder, weder sind ihm noch wenigstens begegnet!


Trotzdem war sich Lisa sicher:


SIE KENNT AUGEN, DIE SCHLAFEN,
UND SICH GENAUSO SCHNELL ÖFFNEN,
ABER SIE KENNT AUCH DIE SEUFZER,
DIE IM KELLER ENDEN.


Die Bibliothek ist eingesperrt durch eine riesige Tür, die sie nicht atmen lässt. Lisa versucht sie zu öffnen, aber ein enormer Widerstand steht ihr entgegen, und noch schlimmer!
Lisa drückt von Neuem... fehlend sich auszutoben, als endlich, während einem äußersten Rasselgeräusch, sie aufhört durch nachgeben. Während ihr sich äußerst skeptisch ein besonders schöner Anblick schenkt:

EIN FRIEDHOF AUS BÜCHERN, EIN MONUMENT DER WORTE.

Gegenwärtig,
kein einziges Geräusch berührt ihre Nase mehr, außer dem akustischen Tic – Tac einer aufwühlenden Uhr. Aber Lisa hat keine Angst, sie hört ihr Herz nicht...
Sie rennt, ihren Atem verlierend, um Loup dort wieder zu finden, genau pünktlich, um ihn da herauszuholen!

(Er ist nur ein bisschen eingequetscht zwischen: Reis, Schokolade, Purée - Schachteln und Kartoffelstärke. Alles ist aus dem Schrank herausgestürzt und hat ihn erdrückt!)

Glücklicherweise ist Loup platt, dann geht das noch!

Er kommt gerade aus, wir wissen das, einer dicken Matratze...

Einige Momente später, gehen Loup und Lisa zu diesem mysteriösen Ort auf Zehenspitzen zurück, fürchten der
STILLE zur Last zu fallen, ihrer ältesten Tochter.

Sie beobachten eine überzeugende Veränderung: Eine Sensation der Luftfeuchtigkeit in dem Zimmer schenke dem Ort eine zukünftige Trockenheit.
(Ein bisschen so, als ob das Tier einen trockenen Mund hätte.)

„Das Zimmer erstickt!”, rief Lisa. „Es war wie ich, als mich Großmutter fragte meinen Atem aufzuhängen, damit sie die Fliegen hören konnte... (oder vielleicht waren das die Engel?) Auf jeden Fall ohne Mischung war es eine Frage der Flügel! Und ich atmete immer noch”, antwortet sie, „dass mein Kopf sich leerte, alles gefühllos wurde und auch mein Blut der Augen...”


Aber Lisa hört offensichtlich nicht mehr auf ihr Behagen...

DIE LÄNGE DES TODESKAMPFES DIESES VERLASSENEN ZIMMERS,
DIE TRAURIGKEIT DES MANNES,
WÄREN DIESE DENN VERBUNDEN?


Da sie unendliche Leben in diesen Büchern enthält, da sie mit Lachen gefüllt ist, mit Stömen des Denkvermögens, warum hat sie sich ausgestellt, die die so lebt?

Dennoch machten viele Spinnenweben Fresken an der Decke, aber keinen Mieter mehr, nur eine gutmütige Luft... Trotzdem einige Ziegel des Herren!

„Man muss verrückt sein, um sie zu verlasssen! Sie ist, unleugbar, ein wahrer Künstler, die Spinne, die sie zieht... Und das hat keinen Preis! Loup, siehst du, ich bin mir sicher!“, bestätigt ihm Lisa, „dort drinnen gibt es ein gut verstecktes Geheimnis... Ich habe das Gefühl, dass Lebende, dass Vokale und Himmel im Inneren der Bücher sind, aber dass sie Angst haben zu leben.”

Im selben Moment, als Lisa diese Worte ausdrückte, haute ein Werk von
HUNDERT – ZWANZIG – TAUSEND SEITEN
geradeaus aus der Macht seiner Zwillingsbrüder ab...
Es fehlte nur wenig unseren kleinen Freund noch bisschen platter zu machen:
WELCH EINE SORGE!

„Der Buchdeckel ist das, was am teuersten ist!“ denkt Lisa plötzlich, die sich dann selbst fragt, warum sie an so etwas denkt.

(Ohne Zweifel, weil ihre Oma, ihr alle Preise sagte: der Reisen... der Kuchen... selbst der Tritte...in den Rücken!)

„Eines Tages wirst du sehen, was dir das gibt!”, wiederholt sie für das Kind, das sicher nicht zuhörte.
„Ich bevorzuge deine Geschichten, die mich lange wach halten”,
ironisiert sie...


UND GROSSMUTTER LACHTE EWIG MIT IHR LOS.

Und bei Gott, ihre Großmutter fehlte ihr! Lisa bekommt ein leichtes Zusammenzucken, das aus tiefstem Herzem kam...
Aber mit einer kleinen Handbewegung fängt sie schnell ihren Kummer ein! Endlich, geholfen von Loup, nachdem er es sich im Sessel gemütlich gemacht hatte,

öffnet Lisa rücksichtslos das Zauberbuch mittels der Zähne.

(Der Bucheinband ist viel schwerer als sie, man musste also schnell eine Hilfe finden!)

Und den Inhalt zu verschlingen... Genauso schnell gesagt, genauso schnell gelesen!... Und verschlingen alle Inhalte und ohne den kleinsten Krümel zu verlieren!

Lerche!

Aber das Erstaunlichste kommt noch, es ist noch verwunderlicher eine ganz kleine Unterschrift auf der allerletzten Seite zu finden:

EIN KLEINER FLIEGENFLUSS, DER EINEN SCHIFFSBRÜCHIGEN SIGNALISIERT...


MÄRCHEN geschrieben von Damien, Allan gewidmet.

„Aber... Das ist eine Geschichte geschrieben durch den Mann, der redet”, beschreibt Lisa, die fast vom Sessel fällt!
(Sie hat gerade die Fotografie in dem Buch angesehen.)

„Und... Und Allan... Es ist zwangsläufig jemand, den er so stark gemocht hat, dass er einen Großbuchstaben an seinen Vornamen des Todes gesetzt hat!”
„???????????”
„Ja, das ist auch der Vorname von jemandem, der tot ist!...
Ich weiß es, Großmutter redete von ihm, in der Nacht...

Gaspard Allan Poe?

... Oder so etwas ähnliches. Er hat phantastische Novellen geschrieben, die Angst machen, und ich liebe das!“ sagt sie ganz rötlich – blass, auf Grund des Adrenalins!

Aber Loup hört nichts, und so wie es sein sollte, ist er immer noch platt:

unter Arbeit wird er rasend!

„Welch eine Sorge! Ich versichere es dir, welch eine Sorge!”, wird Lisa ungeduldig, die ihm nochmals hilft. „Aber wer könnte denn dieser Allan sein für den Mann mit dem Bart?”, folgert Lisa.

„Vielleicht ein Nachbar der gleichen Etage?”, denkt Loup ganz platt.


Auf die Antwort musste man nicht warten, ich zitiere:



IN SEINEM MEISTERHAFTEN STURZ HAT DAS BUCH
EIN MANUSCRIPTBRIEF GELIEFERT,
GESCHRIEBEN MIT DER TINTENFARBE
DES STYX.

Sie fingt damit an:

Liebe Lola

Gegenwärtig kann ich nicht mehr leben. Weder die Nächte noch die Tage haben jetzt Blut; meine Seele irrt an einem Ort, der sich langweilt und mir schadet umher.
Ich würde mich köpfen lassen, damit er getötet werden würde, ich würde mich vor Gott ausziehen, ohne etwas zu sagen...
Oh, mein Allan, mein Kind.
Ich habe nichts Schlimmeres gesehen, als die körperliche Anstrengung, die ich mache, um dem Nichts zu folgen.
Entschuldige mich, nichts mehr zu schreiben, während ich singe, aber wozu soll man die Tinte fallen lassen auf dem sich bewegenden Sand...
Lola, ich bin tot, ich bin betrunken mit Kühnheit immer lebendig zu sein;
ich werde nie wieder eine Geschichte meinem kleinen Kind erzählen,
ich hätte es darüber informieren sollen, dass das Leben nur vortäuscht, wenn es mit allen Zähnen lacht.
Ich werde weit weggehen, noch weiter, ich bitte darum, dass ich mich auf dem Weg verlaufe, ich bin morgen so müde...

Damien


DIE STILLE...

... sickerte von Neuem durch ihre Wunden, hinterlistig ihre Rechte zurücknehmend, als er erschüttert war von dieser langen Lesung, welche sie mit lauter Stimme vollzog.

Lisa selbst ging nicht unverletzt davon! Ein tiefer Seufzer hob ihre Freude: das Röcheln stieg noch einmal an! Noch einmal und noch einmal und noch viel stärker...


ABER LISA HÖRTE ES NICHT AUF DIESE WEISE,
ES MUSSTE IHR DEN HORIZONT NEU ERÖFFNEN!

Es ist schon lange her, als sie im Zirkus Chpuck eine einmalige Aufführung sah: ein LILIPUTANER (ein bisschen wie ein Marsmensch) der auf eine schrille Art unbearbeitete Gläser zerbrach.

Sein Gegen – C (im Sinne eines Tons; Anm. P.M.), ein Aufwärtshaken!

Es war eine prägende Erinnerung, weil sie sich dazu entschied es genauso zu tun, wenn sie einmal nach Hause zurückgekehrt ist! Aber dies war ohne mit Mutter Natur abzurechnen!


Weinen ist eine Sache; schreien, ein Spiel der Rose!

Aber die
NOTE, die tötet....

... Das kleine Biest hat Recht mit ihren Lungen!!!
(Lisa konnte das Wort „Schwamm” ungefähr eine Monat lang nicht aussprechen)

Aber zum Teufel! Es herrscht Dringlichkeit . Egal, sie entscheidet sich dennoch zu einem neuem Versuch.
Ein schriller Schrei,

bei dem das Trommelfell des Kindes entblößt wurde, durchschlug die Luft, durchwühlte den Staub und die Erde, und die ganz weichen Bücher machen sich zu eurer Wache!

(Lisa hat gewiss eine Stimme!)

Wer hätte geglaubt, ein so kleines Stück von Kind könnte der Stille Angst machen, dieser Gigant? Der Autor stürzt sich hervor: „Sie ist dort erschienen,
WEIL SIE ÜBERZEUGT IST!”

Und es ist genauso wie das genommene Ende zwischen dem Gefecht „Tod und Lisa”. Der Mut hatte ohne Zweifel das stumme Tier besiegt.


Loup war stolz auf seine Freundin und wollte es ihr gerne sagen,
aber er blieb tiefschwarz, denn Loup redete nicht!

Es gibt, Lisa weiß es, ein gut verstecktes Geheimnis und sie blieb auf dem Weg, um den Intriganten zu enthüllen!

„Man muss es durchführen wie in der Mathematik!”, sagt sie zu Loup skeptisch.
„Man muss
Schlussfolgerungen ziehen! Schlussfolgerungen wie beim...
ab?? plus x?? und... Welch eine Schande!” sagt Lisa (die sich bereits verwirren ließ).
„Ich war nichts in der Schule! Dort, wo jeder lacht...”

(Jedenfalls, seit Großmutter verschwunden ist, gab es keine Mathematik mehr, die depressiv machte)

Aber Schule des Lebens...
DAS JA!

Lisa dreht sich also zu Loup ganz stillschweigend.
Aber Loup ist nicht ironisch, denn er hört nicht...
Ist auch egal...
Lisa, die Ohren für vier hatte, schreckte auf:

„1 mal 4”



DAS KLAVIER, DAS IM EINGANG SCHLIEF, BEGANN PLÖTZLICH ZU SPIELEN!
STÜCKE VON WAGNER,
VON CHOPIN, VON MAHLER,
STÜCKE DES DRAMAS, DIE AUF EINE KOMISCHE ART WEINTEN.

Es langte gerade dies, um Lisa abzulenken und sie aus einer unangenehmen Situation zu entreißen! Bei der Kühnheit war sie einer Sackgasse gegenübergestellt und sie wusste nicht wie sie ihr entfliehen sollte.

Durch ein Lachen?

Und ja!

Und alles auf einen Schlag zu sagen:

„Nach allem... die zu spät gelernte Mathematik ist wie die Nudeln mit Küchenschaben”, bricht das Fräulein in Lachen aus, die da am schönsten lacht.
„Wenn man zu viel erwartet, sind sie knurrig!!!”

„????????????????????????????“

„Ich weiß, knurrig ist nicht in jedem Wörterbuch...”
versichert sie sich vor Loup, der ein schiefes Gesicht machte.

„Aber doch Loup! Schau! Es langt an die Nase zu denken, die an die Füße treffen will!”, erstickte sich Lisa, die eine Grimasse schnitt, gab den Ton für das Richtige an:

ES IST DER AUSDRUCK FÜR MÜRRISCH!!!

Wenn Ihnen, sich vor Lachen entstellen, auch etwas sagt, dann ist es genau Lisa die, die Pose verstanden hat!!!!...

Und zur Erde durchzubohren...
Genau wie ein Regenwurm.
Aber mit einem vergänglichen Lachen,
weil es ihr an Luft fehlen wird!

„Knurrig, das ist nicht schön!” denkt Loup, der dumpf lacht.

Das Klavier wurde im Augenblick leise. Die Kleine auch. Einzig die kalten Noten, die auf dem Holzparkett zusammenlaufen, versprechen einen kommenden Morgen gut mit Kummer: die Jungfrauen, die keine Flügel mehr haben, enden alle in der Mülltonne!

„Die Sauberkeit vor allem!” sagte Großmutter, als Lisa es verweigerte, sich hinter den Ohren zu waschen!
„Alles muss glänzen wie der Stern vom Schäfer.”

Genauso schnell gesagt, genauso schnell getan!
Besen und Schaufel tanzen ein sehr schönes Ballett!!!

Der Tag ging genauso vorüber, Lisa vollzog auch Entdeckungen mit Purzelbäumen, lange Lesungen des Nichts und von Traurigkeit mit dem Schutze der Bettdecke.

Draußen, Loup und Lisa hatten nicht gesehen, dass der Schnee geschmolzen war, war einen weicher Flaum von Gras erschienen und Lächeln auf den Gesichtern der Passanten. Diese Letzten erschienen außerdem viel leichter, viel fröhlicher, endlich befreit von dieser

pudrigen Last...

Wie schade! Der Winter ist so schön in seinem zu großen Mantel; aber „der Mensch” braucht es mit aller Offensichtlichkeit sich stärker vertraut zu fühlen und zweifelt nicht mehr daran als Menschenfresser auf weichen Fangzähnen!

„DER WINTER ERSTICKT IHRE PFOTEN UND SIE HABEN ANGST VOR DEM EIS!”

flüsterte ihr Großmutter zu,
die auf dem
Friedhof ist...

...hat ein kleines „VERSIEGELTES” Lachen hinter ihr schlendern
lassen:
der Sarg ist aus Holz und die Erde braucht wie das r... Man bräuchte Ohren von Fledermäusen, um die Geräusche auseinander zu halten!

Sicherlich, hört es Lisa nicht. Obwohl genau in diesem Moment, hat sie das Stofftaschentuch in die Hand genommen, dass ihr Oma genau an einem Winterabend geschenkt hatte!

Ein wunderschönes Geschenk, weil es dazu bestimmt war ihre beiden Augen zu trocknen!


„Wenn deine Tränen laufen, muss man sie aufheben, um eine Kette daraus zu machen”, sagte Großmutter,
„Aber keine Krokodilstränen, kleines Mädchen! Das würde nur eine Kette aus Kugeln werden...” warnt sie vor.
„Nein, Tränen des Abdriftens, der Schuld, oder Tränen des Lachens... diese sind Perlen des Lebens genauso wie die Perlen des Regens.

Und
deine Tränen sind nützlich!
Sie laufen, um
daraus Ozeane zu machen,
um die Erde zu erfrischen,
um die Kraft wachen zu lassen,
die unter deiner Schale lebt.”

Hat Lisa denn gar kein Andenken an die Kummer von Großmutter?
Vielleicht war sie ein
GOTT DER MYTHOLOGIE und hatte sie nicht die selben Probleme wie wir, die Menschen?
Nicht die selben Wandlungen, nicht die selbe Langeweile!

Aber, wenn sie ein Gott der vergangenen Zeit war, was wäre sie dann zu uns, den Lebenden?

DIE STERBENDEN HABEN EIN HERZ, WAS VERSIEGT;
DIE GÖTTER HABEN GROSSE QUELLEN,
DIE SIE AUF IHRE WEISE NUTZEN!!!

Sind sie folglich unzerstörbar und ein wenig zerbrechlich? Also ist es unmöglich! Oma ist ein Mythos des Hauses.
Großmutter ist eine Großmutter wie alle Großmütter, weil sie auf dem Friedhof liegt! Sicherlich... Sie versteckte sich einfach, wenn sich ihre Tränen entfalteten!

LISA ENTZAUBERT SICH TROTZ DER ABWESENHEIT NICHT...

Loup und der beleuchtete Ort sind da! Die Sonne hat auf eine schüchterne Weise das Haus mit ihren goldenen Stacheln in eine bewundernswerte Wärme überfallen.
Das Licht streichelte die Fenster, lud sich ein Küsse auf die vorgewärmte Scheibe zu geben...
(Die zwei diskret Verliebten kannten die Grenzen des Glücks und um keine Zeit zu verlieren, öffneten sie schon ihre Herzen.)

Der Tag verlief so. Eine wichtige Sache wurde heute vollendet:
DAS HAUS DES MANNES LIESS SICH DURCH UNSERE BEIDEN NEUEN FREUNDE ZÄHMEN und bald nahm es wieder Leben an!


Abschnitt 4
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Mylène FArmer