Le Guide Méridonal

Artikel über Laurent Boutonnat, 5.10.1994

(Übersetzt von Peter Marwitz, Februar 2000)




Boutonnat seltsam/merkwürdig

Laurent Boutonnat ist Musiker in der Seele und Regisseur aus Leidenschaft, ein seltsamer und ein Allround-Künstler. Nachdem er 1984 Mylène Farmer kennengelernt hatte, übernahm er für sie das Produzieren und Komponieren ihrer Lieder, ebenso wie die Realisierung von 14 Clips und den Film ihrer Tour (der 89er «En concert»- Tour; Anm. PM). All diese Aktivitäten lassen das Verlangen nach einem Spielfilm durchscheinen. Boutonnat beginnt 1986 mit Gilles Laurent das Schreiben eines Drehbuchs. Es wird «Giorgino» sein, bei dem er sowohl die Umsetzung als auch die Musik übernahm, und wo man einen jungen Arzt im Jahre 1918 auf der Suche nach einer Gruppe von Kindern sieht, um die er sich vor dem Krieg gekümmert hat, und der dann einen wahren Alptraum durchlebt, in dem die Liebe die Gesichtszüge einer jungen zerbrechlichen Frau trägt, die man nicht umarmen kann, ohne den Wahnsinn zu umarmen.

"Historisch (gesehen)", erklärt der Regisseur, der zugibt, "von menschlichen Geschichten berührt zu sein" – und Giorgino ist eine solchige – "spielt der Film in Frankreich am Ende des 1. Weltkriegs, aber er hätte auch 1917 in Rußland stattfinden können. All die in 'Giorgino' beschriebenen Orte sind Orte der Phantasie, doch man kann sie im Osten von Frankreich ansiedeln. All das ist nicht sehr wichtig. Gedreht in englischer Sprache – ich finde auch das Problem der Sprache im Kino nicht so bedeutend –, ist der Film aus Verlangen/Lust heraus geboren worden: der Lust nach Schnee und Häusern unter Schnee, nach Stürmen, nach Liebe und nach Gewalt. Ich habe Probleme damit, das zu analysieren, was ich mag/liebe, aber ich kann von 'Giorgino' sagen, daß es ein Film ist über das Gleichgewicht zwischen der Realität und dem, was passiert... am Rande der Realität. Es gibt Dinge zu denen man im Leben gezwungen wird und die notwendig sind. Diesen Film woll-te niemand. Sein Thema machte Angst. Finanzielle Studien wurden bei Firmen durchgeführt, genau-so wie Vorbereitungen und Standortbestimmungen. Aber der Film wurde nie gemacht... Weil ich viel mit Mylène gedreht habe, gab es keine Eile. Bis zu dem Tag, wo ich mich entschieden habe, den Film selbst zu produzieren (finanzieren)."

Als Gegenpol zu Mylène Farmer hat Laurent Boutonnat den amerikanischen Schauspieler Jeff Dahlgren engagiert. "Jemand total jungfräuliches", sagt er, "der gerade Theaterkurse in New York besucht hatte und der zu einer Punk-Rock-Band gehört. Er hat sich durch die Dreharbeiten führen lassen, und das ist die größte Qualität eines Schauspielers."

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Presse 1994