Im Alter von zehn Jahren hat er begonnen, Filme zu machen, bevor er der Begleiter von Mylène Farmer wurde, deren Platten er produziert, deren Lieder er schreibt und komponiert. Und für ihre Clips verantwortlich zeichnet. Wahre schwarze Perlen, von denen man bereits als Kinofilme sprach. Im übrigen genügt es, ihn zu treffen, um sich nicht mehr zu fragen, was dieses hochbegabte Kind von 32 Jahren dazu treibt, ein ästhetisches und dramatisches wie romantisches Universum zu erschaffen, düster, grausam und mißhandelt, und gleichzeitig naiv, beinahe unschuldig. Mit seinem schwarzen Überzieher, der dem ähnelt, den sein Held im Film trägt, seinem schönen bleichen Gesicht mit verwaschenem Blick, eingerahmt von Locken und die Pfeife in der Hand, die er zu rauchen droht, ohne es je zu tun, könnte Laurent Boutonnat auf dem gleichen Platz in diesem Pariser Hotel, in dem wir ihn getroffen haben, ein Jahrhundert früher gesessen haben. Nicht überraschend, daß er seine Produktionsfirma Heathcliff genannt hat, welches natürlich der Name des merkwüdigen Helden von Hauts de Hurlevent ist, in dessen Schatten er innerhalb von zehn Monaten, ganz zurückgezogen, seinen Film, vom Schnitt bis hin zur Musik, erschuf, seinem Ruf treu, alles alleine bewältigen zu wollen. Und das Geheimnis, das ihn umgibt, wiederbelebend. Ein Geheimnis, das er für uns ein wenig lüften will, sparsam, als Mann, der es liebt, sich Zeit zu nehmen.
Juliette Michaud: Seit zehn Jahren arbeiten Sie mit Mylène Farmer zusammen dieser erste Film, den Sie gedreht haben, erscheint wie eine Art von Endergebnis. Hatten Sie seit dem Beginn den Ehrgeiz, eines Tages zum Kino überzugehen?
Laurent Boutonnat: Wir hatten beide immer ein sehr starkes Verlangen, Filme zu machen. Von meiner Seite her träume ich davon seit meiner Kindheit. Was Mylène angeht, so hatte sie, bevor sie sich für die Musik entschied, vorgehabt, Schauspielerin zu werden. Es war deshalb natürlich, daß wir uns recht schnell vorgestellt hatten, gemeinsam einen Film zu drehen.
Aber die Tatsache, daß Ihre beiden romantischen, dennoch extrem ungewöhnlichen Universen dermaßen gut zusammenpassen, ist etwas sehr seltenes, oder?
Mylène hat dieses Universum in sich, ich habe es in mir. Es gibt hier keinen Zufall. Es wäre zu schwierig, zusammenzuarbeiten, wenn wir gegensätzliche Verlangen hätten. Aber ich frage mich, ob man, von dem Moment an, wo man viel Zeit mit jemandem verbringt, nicht damit endet, selbst wenn man zu Beginn recht verschieden ist, sich wieder zusammenzufügen/wiederzuvereinigen.
In «Giorgino» ist die romantische Atmosphäre noch ergreifender als in Ihren Clips. Es ist ein wirklich romantischer Film. Man denkt unwillkürlich an die gesamte gothische Literatur. Ist Ihre Lektüre die Quelle Ihrer Inspiration?
Meine Arbeit ist die Summe vieler Dinge. Aber es stimmt, daß ich schon immer die englische Literatur des 19. Jahrhunderts gemocht habe: Henry James, Die Brontë-Schwestern... Genauso mag ich die russische Literatur dieser Zeit, die von der gleichen Stimmung ist, aber mit einem roherem Stil.
In «Giorgino» findet man viele Symbole dieser Literatur: die Wölfe, die Schleiereule, das schwarze Pferd, den Vollmond...
Ja, man hat mir sogar gesagt, daß das schwarze Pferd die Hauptfigur des Films ist, was nicht verkehrt ist (lächelt). Aber das sind Archetypen, Bilder der Kindheit, die in der ganzen Welt ruhen, mehr oder weniger stark.
Welches war genau der Auslöser, der sie auf das Thema von «Giorgino» gebracht hat?
Der wirkliche Ausgangspunkt war ein Skript, das ich im Alter von 17 oder 18 Jahren geschrieben habe, innerhalb von 15 Tagen, dessen zentrale Figur bereits Giorgino hieß. Später habe ich meinen Co-Drehbuchautor, Gilles Laurent, getroffen, mit dem ich das Manuskript wiederaufgenommen habe, welches wir komplett umgearbeitet haben. Von daher hat das endgültige Drehbuch von «Giorgino» praktisch nichts mehr mit dem ursprünglichen Skript zu tun.
Wann haben Sie begonnen, Kino/Filme zu machen?
Ich habe im Alter von zehn Jahren damit angefangen, Filme auf Super 8 zu drehen. Dann habe ich begonnen, kleine Geschichten zu schreiben, die ich umgesetzt habe, in denen ich auch selbst mitspielte.
Sie haben im Alter von 17 Jahren sogar einen Spielfilm gedreht, «Ballade de la féconductrice» («Ballade der anführenden Fee»??), der 1980 in einem Kino in Paris lief, und der für Zuschauer unter 18 Jahren verboten war...
Mit 17 hat man das starke Verlangen, die Erwachsenen zu schockieren. Das war eine jugendliche Fantasterei, von der ich mir den Spaß gemacht habe, sie zu drehen, mit sehr wenig Geld. Ich habe alles gemacht: die Maske, die Kostüme... Ich drehte eine Szene und entwickelte die Rolle am Nachmittag... Schließlich wurde es ein Film von einer Stunde 15 Minuten Länge. Ich erinnere mich nicht mehr so gut daran, um ehrlich zu sein. Es war die Geschichte einer Serienmörderin, die sich vor jedem Mord als Clown verkleidete.
Was haben Sie danach gemacht?
Nach dem Mißerfolg des Films war ich halbtot (lacht). Ich habe die Schule, in der ich ein Faulpelz war, mit 15 verlassen, um drei Jahre lang Theaterkurse zu besuchen. Danach habe ich diesen Film gedreht, anschließendstellte mich ein Fernsehreporter an, Jean-François Chauvel, der ein großartiger Typ war und inzwischen tot ist, als Kameramann für eine Reihe von wissenschaftlichen Reportagen über Kernenergie. Ich habe vorgegeben, mich in Technik auszukennen, damit er mich nimmt, und ich mußte wie ein Verrückter das Handbuch pauken! Innerhalb eines Jahres habe ich viel bei ihm gelernt.
Wie ist der Regisseur, der Sie waren, zum Komponisten geworden?
Ich habe Musik schon sehr früh erlernt. Aber ich habe nie daran gedacht, damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen, geschweige denn, Platten rauszubringen. Mit 19 Jahren, als ich ständig versuchte, Filme zu machen, habe ich mit einem befreundeten Musiker das Lied «Maman a tort» komponiert, welches das erste Lied für Mylène wurde. Etwas später habe ich mich von diesem Freund getrennt, aber ich bin mit Mylène zusammengeblieben.
Sind die Clips also eine umgeleitete Möglichkeit geworden, Kino zu machen?
In gewisser Weise. Ich war begeistert, weil mir das auch die Möglichkeit gab, das notwendige Geld zu sammeln, um Filme zu drehen, und zu der Zeit habe ich gelernt, mit dem zufrieden zu sein, was ich machte im Leben. Vorher, selbst durch die Zusammenarbeit mit Mylène, hatte ich immer das Gefühl, dillettantisch zu arbeiten.
Wie erinnern Sie sich an das Abenteuer des Drehens von «Giorgino»? Mylène Farmer sagte, daß Sie sich während der Dreharbeiten vor anderen geschützt haben...
Ich habe das in der Tat in Studio gelesen (lacht). Von dem Moment an, in dem die Dreharbeiten begannen, war der Druck dermaßen groß, daß mein Verhalten unkontrollierbar wurde. Man denkt weder an sich noch an andere. Man ist jemand anderes. Ich hatte den Eindruck, verrückt zu sein, in einer anderen Welt. Ich hätte eiskalt jemanden töten können!
«Giorgino», dessen einziger Produzent Sie sind, besitzt auch sehr wichtige Zwänge finanzieller Art, und dennoch, entgegen allen Erwartungen, ist die Hauptfigur nicht Mylène Farmer, sondern ein junger unbekannter Schauspieler, Jeff Dahlgren, der vorher noch niemals in einem Kinofilm gespielt hat...
Dieser Film ist vor allem die Geschichte von Giorgino. In Anbetracht des Status von Mylène in der Öffentlichkeit hätte die Logik gewollt, daß sie die Hauptrolle spielt, und man hat mir vorgeworfen, daß das nicht der Fall sei. Aber diese Logik hat keinen Sinn vor dem Hintergrund des Drehbuchs, das ganz anders ist. Die Figur von Mylène ist nicht so häufig auf dem Bildschirm zu sehen wie Giorgino, aus dem einfachen Grund, weil die Geschichte es erfordert. Es sind die Figuren, die entscheiden.
Hat Mylène Farmer bei gewissen Szenen eingegriffen (sich eingemischt)?
Sie ist immer eingeschritten, um mir in gewissen Momenten des Zweifels zu helfen, schweren Momenten, wo man in Verzug war, und die sehr teuer/kostbar sind.
Zwischen dem Ende der Dreharbeiten und dem Erscheinen des Films heute liegt fast ein Jahr. Wieso eine derart lange Verzögerung?
Das war in der Tat besonders lang, und sehr schwierig, von der körperlichen Seite her. Ich blieb fast zehn Monate im Schneideraum. Und als ich ihn verließ, blieb mir immer noch die Musik zu schreiben. Das war eine pausenlose Arbeit, ohne Abende, ohne Wochenenden. Und keine frische Luft! Von Zeit zu Zeit bin ich Schwimmen gegangen, um nicht wie ein Alter zu enden...
Das bestätigt Ihren Ruf, alles alleine machen zu wollen. Fürchten Sie nicht manchmal, daß diese Art der Arbeit Sie vom Blick von außen durch Gesprächspartner abschneidet?
Weil Sie glauben, daß ich zehn Monate in einer Höhle verbracht habe, wie eine Ratte, ohne Begleitung? (lacht) Nein, ernsthaft, es gab dort meine Cutterin, Agnès, die Schneide-Assistenz, den Praktikanten, den Toningenieur... Sie waren es, die Kritik geäußert haben. Und Mylène auch, weil sie oft im Stadium der Postproduction eingegriffen hat. Sie ist jemand, deren Ansicht sehr direkt, sehr offen ist. Sie sagt die Dinge nicht, um mir damit einen Gefallen zu tun.
Haben Sie den Eindruck, einer Familie von Regisseuren anzugehören? Derjenigen der Cineasten des Bildes wie Luc Besson?
Die Zugehörigkeit zu einer Familie ist schwierig (lächelt). Mit Luc, den ich kenne, habe ich zwangsläufig einige Dinge gemeinsam, aber jeder hat seine Art zu filmen. Im Prinzip stelle ich mir nicht viele Fragen dieser Art. Wenn ich drehe, habe ich häufig die Kamera auf der Schulter, das ist eine Arbeit, wie man sie mit einem Stift oder einer Pincette tun kann. Mit der gleichen Spontaneität. Das heißt, wenn ich eine Szene im großen Rahmen drehe, ist es mir passiert, daß ich mich plötzlich, während der Aufnahme, bewege, zoome, um eine gedrängte/verzerrte Einstellung zu bekommen, die nicht vorhergesehen war.
Gibt es Cineasten oder Filme, auf die Sie sich beziehen?
Es gibt viele. Ich bewundere «Lawrence von Arabien», David Lean, Sergio Leone, auch Bergman, der Leone in seiner Art, Gesichter zu filmen, sehr nahe steht. Ich liebe Einstellungen auf Gesichter im Kino... auf einem Gesicht zu verweilen. Man hat nicht mehr die Zeit, das zu tun. Ich bewundere auch russische Filmemacher. Sie mögen diese Art, sich Zeit zu nehmen und auf einem Thema zu bleiben, bis sie einen wahrhafte Empfindungen wahrnehmen lassen. Wie Tarkovski, es gibt etwas Magisches bei ihm, sehr menschlich, selbst wenn seine Filme nicht immer leicht zu bewundern sind.
Es gibt diesen sehr schönen Satz am Ende von «Giorgino»: «Und man wird niemals sterben.» Sagen Sie sich, daß Sie Filme machen, um ebenfalls nicht zu sterben?
Ja, ich glaube, daß darin eine zwangsläufig vitale/lebendige Dringlichkeit liegt, die Dinge zu tun. Auf jeden Fall ist es das, was es mir erlaubt hat, diesen Film zu machen. Eine Mischung aus Leiden und Naivität, die ich zudem im großen Stil wiederfinde in den Figuren von Giorgino und Catherine, die diesen Jungen in der Welt der Kindheit und der Alpträume an die Hand nimmt... In der Tat ist «Giorgino» ein Film über die Kindheit.