Übersetzung aus Mylène Farmer «Lisa – Loup et le conteur» © Editions Anne Carrière 2003

(Übersetzung durch Monique Dollinger)





Abschnitt 7 – Der zweite Tag



Am folgende Tag lernten Loup und Lisa von ihren Freunden, dass der Mann niemand anders war als ein wunderbarerer Erzähler, der ohne Angst und ohne Trauer lebte: zu seinen Seiten, schenkte ein wundervoller kleiner Junge ihm schon seine ganze Achtung, seine Liebe und seine Märchen.

Aber das Unheil stürzte sich über den Horizont und traf den Mann völlig unverhofft

ALS DER TOD GEKOMMEN SCHIEN.

Sein verschollener Sohn, als das Leben weiterging?
Es war unbegreiflich!


Der trostlose Mann wollte sich beseitigen, aber ein Wunsch hinderte ihn, das nicht Umkehrbare zu begehen.

(Ein Versprechen, das er an seine zärtliche Camille gemacht hatte.)

„Ich schwöre... WIEDERHOLE mit mir!“ sagte sie zu ihm, als er an ihrem Krankenbett war (sie war nämlich krank und mit unheilbaren Schmerzen).

„Ich schwöre...” (ihre beiden Stimmen wurden zu einem Echo)... „ dass ich niemals... das tue, was mein Vater... sich selbst eines Tages gemacht hat. Ich schwöre... der Tod hat niemals die Kühnheit... mich zu ihm zu verleiten und meinen Platz zu nehmen!”




DER VATER
VON CAMILLE
IST IN DIE RANKEN GEGANGEN.
DIE SIMPLE VERRÜCKTHEIT
HAT IHN AUF DEN
FRIEDHOF GEFÜHRT.


Denn zu Camille war sie nichts anderes als die Schwester des Erzählers (ohne Zweifel seine Beliebteste!)... Ein bisschen wie Sauerkraut...

Der Mann war ein Mensch mit großem Herzen, er sah gut, dass sie ihre Augen nicht schloss, nachdem er diesen Wunsch ausgedrückt hatte. Sie leidete schon zu viel! Er sollte ihr Ruhe geben.

Als er fertig war, sein Versprechen mit lauter Stimme zu wiederholen, lachte sie, aber mit einem Lachen von da oben... Sie verließ ihn für die Ewigkeit.

(Selbst, wenn die Ewigkeit ein erfundenes Wort ist.)

Lisa war bewegt von dieser Erzählung mit so vielen verlorener Leben.

Also, um sie von dieser bewegenden Erzählung abzulenken, am Abend begeisterten sie die EINS – ZWEI – DREI Burschen, als sie dann wahr nahm, wie SIE DAS TAGESLICHT GESEHEN HABEN, wie ein Frühlingsmorgen.


WÄHREND SIE
IHRE UMRISSE ENTDECKTEN!


Die Feder kitzelte sie mit vollem Ernst als der Mann sie skizzierte!
Und auch der nasse Pinsel mit wilden Farben, als er ihr Inneres ihrer gemalten Körper füllte!

Aber das Magischste, sie haben es der Kleinen erklärt (die mehr und mehr fasziniert ist) war, als der Mann seinen Sohn Allan fragte, sich in sein kuscheliges Bett gleiten zu lassen, um ihm seine aller letzte Geschichte zu erzählen!

„Also... und wir natürlich alle wiederholt, alles perfekt synchronisiert!” erzählte die Spinne weniger schüchtern. „Der Mann, mit seiner beunruhigsten Stimme, fing die Lesung einer Erzählung ohne Zensuren an!”

„Wir, wir haben um des Auftrages wegen beschlossen das Werk zu veröffentlichen und die Handlung vor dem braven Jungen zu imitieren!”
folgte Humphrey.

Lisa traute ihren Ohren nicht, die ganze Erzählung arbeitete. Ein Mischung aus Freude und Trauer setzte sich durch. Sie, die die ganze Zeit träumte, dass man ihr Märchen vorliest, ist so nah vor dem Ziel und es fehlte nur sie zu treffen!

Sie hatte es gut verstanden:
das Leben regierte in diesem Haus
und die Leidenschaft hatte Recht.

Alles, was sie zusammen machten, war wie wertvolle Diamanten!
Sie lernten gegenseitig das Meiste der Dinge ohne sich um die Zeit zu sorgen.



ABER DER TOD IST EIFERSÜCHTIG AUF DEN FRIEDEN DER LEBENDEN
UND
DER TOD MIT ROTEN AUGEN HAT
DAS KIND MITGENOMMEN.




Seit diesem dunklen Tag hat der Mann seine Feder liegen gelassen und sieht den Mond nicht mehr.

Seit diesem dunklen Tag, wurde nichts mehr gesagt, nichts mehr wurde geschrieben.

Und wir, die erfundenen Personen, haben die Freude verloren und in dem Buch haben wir alles umgedreht, alle umgedreht!

Verlassen auf dem glasierten Paper,
alles auf dem Papier gelassen,
gelegt.


Abschnitt 5
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Mylène FArmer