«Giorgino» Fehlende Szenen
Hinter den Kulissen des Films «Giorgino» was bei dem letzten Schnitt ausgelassen wurde
von János Janurik
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Fast jeder Fan weiß ja, daß der Film "Giorgino" von Laurent Boutonnat ursprünglich für vier Stunden lang geplant war. Da griff die Zensur ein und der Film wurde eine Stunde kürzer gemacht.
Obwohl man schon vor der Uraufführung über den "Kinoerfolg des Jahres" sprach, lief der Film nicht mehr als drei Wochen in den größten Kinos und verschwand dann von der Leinwand. Man konte ihn nur in einigen Artkinos ansehen. Dieser Mißerfolg berührte vor allem Laurent Boutonnat peinlich und er kaufte die Rechte seines Films von den Firmen "Canal+" und "Polygram" zurück und so ist er bis zur Stunde der einzige Besitzer der Rechte des Films.
Die Zeit hat Laurent Boutonnat recht gegeben, weil sich immer mehr Fans für diesen mißverstandenen Film interessieren. Jetzt möchte ich diesen Fans einen Gefallen tun, indem ich in diesem "Essay" über jene Szenen schreibe, die bei dem letzten Schnitt ausgelassen wurden.
Wie ist das möglich? Nein, leider konnte ich an den Dreharbeiten in den Tatras, in Poprad nicht teilnehmen und ich war bei der Premiere des Films, wo Laurent Boutonnat die erste Variante aufgeführt hat, auch nicht dabei, aber ich bin ein stolzer Besitzer des Original-Drehbuchs. Es wurde von Laurent Boutonnat und von Gilles Laurent im Jahre 1992 geschrieben und es umfaßt 186 Seiten, die wahrscheinlich von Laurent Boutonnat getippt wurden...
Und jetzt, sehen wir uns diese verlorenen Szenen an!
Während Dr. Jodel in der Einleitungszene aus seiner Flasche trinkt, ermahnt er Giorgio, daß er sich nicht überladen darf und er soll mit dem Nahen des Winters auf sich gut aufpassen, damit er sich nicht erkältet, sonst endet er im Rachen eines Wolfs. Als er diesen Satz sagt, nickt er dem Plakat zu, das sich an der Wand des Sprechzimmers befindet. Dieser Plakat zeigt uns einen knieenden Soldaten, umkreist von schwarzen Wölfen. (An dem Doktor Jodel ist ein Nostradamus verlorengegangen, was es das spätere Schicksal von Giorgio betrifft...)
Aus derselben Szene erfahren wir, daß Giorgio zum Weiterleben viel Luft braucht und es wäre schön, wenn er an der Seite eines Mädels sich verschnaufen könnte. (Auf ihn warten aber nur die Waisenkinder...)
Im Schlafsaal der Stiftung "Emile Roux fragt Giorgio die Haushalterin, was mit dem jungen Mädchen, namens Françoise passiert ist, die dort arbeitete. Die Haushalterin sagt ihm, daß dieses Mädchen im Mai einen braven Herren heiratete. Giorgio zeigt ein trübes Lächeln. (Für ihn sind wirklich nur die Kinder geblieben...)
Auf dem Weg nach Chanteloup begegnet Giorgio zum ersten Mal das alte Weib mit dem merkwürdigen Kind, beide schwarz gekleidet. Giorgio fragt sie nach dem Weg, aber das alte Weib antwortet ihm nicht, sie weist nur in der Richtung des Kreuzwegs. Giorgio dankt ihr für die "Hilfe und fährt weiter, während wir das Heulen der Wölfe hören... (Ein schlechtes Omen für unseren Held...)
In der Nacht, als Giorgio in seinem Bett im Gasthof schläft, hört man das Geschluchze eines kleinen Mädchens. Sie ruft ihre Mutti. Auf diesen Lärm schreckt Giorgio auf, aber die Gastwirtin sucht nur ihren Marcel, der auf dem Balkan kämpft, wie wir alle wissen... (Das ist der reine Wahnsinn...)
Der Kapitän, der auf dem Hauptplatz von St. Lucie skandiert, daß das Vaterland für den Soldaten wie seine Mutter ist, beginnt Geld zu sammeln. Er sagt, daß die wahren Patrioten es nicht zulassen dürfen, daß die Leichen der französischen Infanteristen an dem selben Ort mit den irdischen Überresten der Deutschen anfaulen. Sie sollen nach Hause gebracht werden und in der Muttererde begrabt werden. Die mit Schaudern erfüllten Sätze des Kapitäns über die Verwesung der Leichen sind nur teilweise in der letzten Fassung zu hören. (Meiner Meinung nach ist diese Szene die stärkste Kritik an die Sinnlosigkeit des Kriegs à la Boutonnat. Wozu das Heimbringen der Leichen in Chanteloup führt, das weiß ja jeder...)
Während sich Giorgio und Professor Beaumont auf dem Korridor der Irrenanstalt unterhalten, erblickt unser Held eine schwarz gekleidete Frau, die einen schleierumhüllten Hut trägt und die ihn an Catherine Degrace erinnert. Giorgio fragt den Professor Beaumont, wie es vorkommen kan, daß sich eine Frau in der Männerabteilung der Irrenanstalt aufhält. Der Professor gibt einen Befehl, daß diese Frau ins Kellergeschoß gesperrt werden soll. Bevor diese merkwürdige Silhouette von den Krankenwärtern weggeführt wird, wirft sie noch Giorgio einen Kuß zu... (Wenn diese Frau wirklich mit Catherine identisch war, dann konnte vielleicht Doktor Degrace mit ihrer Hilfe aus der Irrenanstalt fliehen.)
Nicht weit von der Irrenanstalt, auf dem Hauptplatz erblicken wir zwei Kinder, die Geld sammeln. Das eine Kind, das ca. zwölf Jahre alt ist, schüttelt eine Sammelbüchse, die die Nationalfarben von Frankreich trägt. Das andere Kind, das ca. sechs Jahre alt ist, trägt ein antideutsches Plakat an sich. Auf disem Plakat sehen wir einen fürchterlichen Soldaten, der die Hände eines Kindes abschneidet, das ihn auf eine Leine klemmen will. Die Kinder beginnen von Giorgio zu betteln, der gerade die Irrenanstalt verläßt.
Das ältere Kind bettelt mit den folgenden Worten: "Um mit den garstigen Schwaben Schluß machen zu können, mein Herr! Das jüngere fügt dazu: "Damit sie meine Hände nicht abschneiden können, mein Herr! Giorgio läßt ein Lächeln und zwickt freundlich das Gesichtchen des kleineren Kindes, während er ihm die folgenden Worte sagt: "Du weißt ja, daß ich nicht geben darf... "Warum? Sind sie ein Deutscher?, fragt das ältere Kind. "Ja..., antwortet Giorgio nach einer Zeit, "und ich habe nie die Hände eines Kindes abgeschnitten.
Giorgio fährt mit seinem Kutschen weg, während er von diesen zwei Kindern und auch von anderen verfolgt wird, die den Abschuß von Giorgio imitieren. (Giorgio bekommt noch mit den Kindern zu tun, die seinen durchgefrorenen Körper auf den Weg hinausstoßen, damit er durch eine Überfahrung einen Riß bekommt und sie können sein Innere untersuchen...)
Als Giorgio nach der Beerdigung von Madame Degrace den Friedhof verläßt, begegnet er den Weibern, die Catherine fast gelyncht hatten. Giorgio erblickt die Frau Petaud, die auf einem Hügel sitzt und über Beinschmerzen klagt. Marthe ist mit ihr und mißt Giorgio mit einem Blick, der Haß und Furcht vermischt. Giorgio geht auf sie zu. Marthe wartet auf ihn mit geballten Fäusten. Giorgio kniet vor Frau Petaud nieder und untersucht ihre Wunde. Frau Petaud rührt sich nicht. Giorgio sagt ihr, daß es keine schwere Verletzung ist und geht weg. (Diese Szene zeigt uns, daß Giorgio immer den gütlichen Vergleich suchte, aber er und Catherine konnten dem tragischen Ende trotzdem nicht entgehen.)
Bevor Giorgio den Kopf Christi in der Badewanne auffindet, kreist er im Hause Degrace, weil er verschiedene Geräusche hört. (Der Wahnsinn ist bereit ihn anzufallen...)
In dem Gasthof, während die Weiber den Waffenstillstand feiern, hört Giorgio das Weinen von Madame Ferrauge, die über seinen Sohn klagt. Sie bedauert, daß die Ratten die Ohren seines Sohns abgenagt hatten. Giorgio sagt ihr, daß man mit dem inneren Teil des Ohrs hört, aber Madame Ferrauge bleibt trostlos. Sie fragt, wie sein Sohn dan seine Brille tragen kann? Eine andere Frau sagt ihr, daß man in diesem Falle die Brille mit einem Bindfaden auf den Kopf festbinden kann. Giorgio bejaht diese Äußerung zerstreut und sucht Catherine mit seinem Blick. (Diese Szene mit der Brille erinnert mich an einen morbiden Witz...)
Das wären also die Szenen, die Laurent Boutonnat bei dem letzten Schnitt aus seinem Film herausschneiden sollte. Wenn ich vielleicht etwas ausgelassen habe, dann "mea culpa". Es war wegen der großen Hast, weil ich diesen "Essay" so schnell wie möglich veröffentlichen wollte. Aber, wie sagt es Pfarrer Glaise? "Nichts ist unsauber, für diejenige, die sauber sind."
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