Kleiner Lebenslauf von Laurent Boutonnat
(Stand Oktober 1990)

Übersetzung des Kapitels «Itinéraire d'un jeune homme doué» («Der Weg eines begabten jungen Mannes» (S. 78-81) aus dem Buch «Ainsi soit-elle» von Phillipe Séguy, © Publication Jean-Pierre Taillander, 1991

(Übersetzung & Kürzung ;–) durch Peter Marwitz)

er glaubt, in Laurent Boutonnat einen bleichen Lorenzaccio zu sehen, verunstaltet von den Schrecken des Erfolgs, von künstlichen Paradiesen benommen, verformt durch seine Kunst, begeht einen schweren Fehler! Denn es ist genau umgekehrt! Stellen Sie sich vor, daß seine große Zurückhaltung/Schüchternheit ihn daran hindert, sich oft zu zeigen und er meidet Fernsehstationen, Radiosendungen und Gala-Empfänge wie die Pest.

Wenn es um ihn geht, «nur für das Buch, nicht mehr als ein bißchen, verstehen Sie, Laurent, es ist wichtig», wenn man ihn dazu drängt, sich zu öffnen, werden seine von Natur her klaren Augen "malvenfarbig" (?? "mauve" im Originaltext); er schaut zu Boden und murmelt ein «ach, das», das nichts gutes verheißt. Aber einige Tage später, eher aus Höflichkeit denn aus Interesse, begibt er sich in die Lounge eines bekannten Hotels, um über einen kleinen Jungen zu reden, der am 14. Juni 1961 geboren wurde.

Laurent Boutonnat ist der Älteste einer Familie von fünf Kindern; die Kindheit verbrachte er bei Jesuiten, was für ihn nicht immer sehr lustig und heiter war. Er stellte ein Musterbeispiel für einen schlechten Schüler dar – schon damals allerdings sehr in Literatur bewandert –, der von einer Reihe von Schulen verwiesen wurde.

„Ich hatte verständnisvolle Eltern; mit 15 Jahren verließ ich die Schule, um mir Arbeit zu suchen.” Seine wahre Leidenschaft und Begabung liegen jedoch woanders, nämlich beim Kino – bereits im Alter von zehn Jahren gestaltete und realisierte er seinen ersten Film.

Laurent arbeitete jede Woche zu Hause mit einem Professor, der ihn dazu motivierte, für sich die Literatur und die Philosophie zu entdecken. „Er brachte mich dazu, zu schreiben, und ich fand schnell großen Gefallen daran.” Außerdem durchlief er eine musikalische Ausbildung – und seit dem Alter von fünf Jahren, «Harmonie und Kontrapunkt».

Mit sechzehn Jahren beginnt Laurent mit dem Projekt seines ersten Spielfilms: «La Ballade de la Fée Conductrice» (Die Ballade der anführenden Fee??). Ein junges, reizendes Mädchen ermordet auf ihrem Weg die Menschen, denen sie begegnet... Er wählte seine Kollegen der Kurse für die Verteilung/Verbreitung des Films. Weil er eine „Abneigung und Furcht vor dem Delegieren im künstlerischen Bereich” besitzt, machte er alles in Eigenregie: Musik, Photos, Produktion, Leitung der Schauspieler; „das Kino ist «die Kunst total», es stellt alles um, gruppiert alles neu.”

Der Film wurde seines Themas wegen zunächst von der Zensur-Kommission abgelehnt. Zu Beginn in drei Kinosälen präsentiert, lief er schließlich in nur einem einzigen, versehen mit einem Verbot für Besucher unter achtzehn Jahren. Laurent selbst war gerade erst siebzehn... Seine Begegnung mit einem bekannten Reporter vom Fernsehen erwies sich als sehr bedeutend für ihn und seine weitere Entwicklung. „Ein Jahr lang durchkreuzte ich so Frankreich, die Kamera auf der Schulter – dies war die beste aller Ausbildungen und Schulungen!”

Während des Projektes eines Buches über Kindesmord – ein Thema, das ihn 'verfolgt'
(siehe beispielsweise das Lied «Chloé» aus dem Jahre 1986; Anm. P.M.) –, das nie erscheint, „entstand eines Abends der Verzweiflung zusammen mit Jerôme Dahan das Lied «Maman a tort».” Anfänglich interessierte sich Laurent, der Filmmusik bevorzugte, nicht weiter dafür. Und so wäre «Maman a tort» wohl in Vergessenheit geraten, wenn nicht Mylène zu dieser Zeit in sein Leben getreten wäre – sie, die seine Augen wieder strahlen läßt („fait bleuit encore ses yeux”), wenn er von ihr spricht. Sie, die ihm seine stillen Momente und Pausen verschafft und gibt.

Laurent ist ein Cineast und Filmschaffender, der Musik macht. Er spricht vom Kino, vom Film, mit der Mischung aus Enthusiasmus und Zurückhaltung, die ihn charakterisiert. Er spricht darüber mit Einsicht und Urteilsfähigkeit, wie von etwas Verborgenem, sehr Geheimen, aber seit langem Verehrten – eine unerbittliche, anspruchsvolle Kunst, die in ihm brennt, „diese mysteriöse Alchemie, die aus einer Idee, einer Vision, einem Bild, einer Lust der Szene/Bühne, einer Situation, geboren wird.”

Er hat die Bescheidenheit, hinzuzufügen, daß das Drehen der Video-Clips für ihn „ein indirekter Weg ist, Kinofilme zu drehen.” Aber man muß ihm das nicht glauben. Laurent Boutonnat ist ein 'kompletter' Allround-Regisseur.