Übersetzung aus «Mylène Farmer – Mystérieuse sylphide» von David Marguet, © Editions la Mascara, 2000
(Übersetzung durch Peter Marwitz)
Prélude-Bild

Auftakt

«Giorgino war eine schwere, schmerzhafte Geburt, aber wir, Laurent und ich, leben in dieser Arbeitsatmosphäre seitdem wir zusammenarbeiten, nichts macht sich leicht.»



1994 entscheiden sich Mylène Farmer und Laurent Boutonnat, der Öffentlichkeit ihren ersten Film, den sie den düsteren Titel Giorgino gegeben haben, zu präsentieren. Giorgio Volli, gespielt von Jeff Dahlgren, ist ein junger französischer Arzt. Nach den Schrecken des Krieges (der Film spielt im 1. Weltkrieg; Anm. PM) kehrt er bei der Suche nach den Waisen, um die er sich vor seiner Abberufung an die Front von Verdun gekümmert hat, aufs Land zurück.Aber eine furchtbare Neuigkeit erwartet ihn: sie sind alle in den Mooren ertrunken, die das Waisenhaus umgeben. Dort macht er dann die Bekanntschaft von Catherine Degrâce, verkörpert von Mylène Farmer, einem jungen autistischen Mädchen, die «man nicht umarmen kann, ohne die Verrücktheit zu umarmen», in die er sich verliebt. Die Dorfbewohner machen sie für das Verschwinden der Kinder verantwortlich, aber die junge Frau, gefangen in einer anderen (ihrer eigenen) Welt, beschuldigt die Wölfe. «Es ist nicht mein Fehler!» Ein tragisches Ende erwartet den Arzt und Catherine. In dem Moment, wo Giorgio seinen letzten Atemzug tut, inmitten eines verlassenen Friedhofs, umgeben von weiten schneebedeckten Feldern, nähert sich ihnen ein Rudel Wölfe... «Und man wird niemals sterben...»

Erwartet als der Erfolg des Jahres, konnte sich Giorgino einer intensiven Werbung erfreuen, obwohl der Filmstart vo 24. August auf den 5. Oktober verschoben wurde. Die Zeitschrift Studio widmete dem Film eine Titelstory und eine Sammlung von Bildern, die beim Filmdreh entstanden, zusammen mit einem exklusiven Interview mit Mylène. (Dieses könnt Ihr auch
hier auf der Website http://www.mylene-farmer.de nachlesen, in der Presse-Rubrik, 1994; Anm. PM) Sehr schöne Aufnahmen ließen eine außergewöhnliche fotografische Qualität des Filmes deutlich werden. Hugh Grant stand auf der Liste der möglichen Schauspieler, aber Laurent zog ihm Jeff Dahlgren vor, einen jungen kalifornischen Schauspieler und Fotografen, geboren in Los Angeles. Das Verständnis war perfekt. «Es waren wirklich schwierige Dreharbeiten, aber es war auch eine große Freude, mit Mylène zu arbeiten.» Die Bedingungen für das Drehen entpuppten sich als sehr hart, Laurent verlangte viel von Mylène. «Am Set gab er konkrete technische Anweisungen, aber was das Spielen anbelangte, so ließ er mir eine große Freiheit. Er hat mit einzelne Hinweise gegeben... Es gab keine wirklichen Diskussionen über die Personen/Charaktere. Ich habe das Drehbuch gelesen und ich denke, daß er wußte, daß ich wußte, was er sich für Catherine gewünscht hat. Während des Drehens ging es immer direkt 'Kamera! Action!' und wir unterhielten uns erst später. Nach der Aufnahme gab er sein Urteil ab – 'das ging' oder 'Das ist es absolut nicht. Wir drehen es nochmal.' Dies ging deshalb gut, weil wir uns perfekt kennen. Mit den anderen Schauspielern war er ein wenig redseliger, glaube ich...», erzählt Mylène.

Leider fand das Publikum keinen Gefallen an diesem Oeuvre und blieb den Kinosälen fern. Die gerade einmal 60.000 Besucher wurden mühsam erreicht, und der Film wurde sehr schnell nur noch in Kunst- und Programmkinos gezeigt. «Es gibt einen Terrorismus des Bildes für das Bild, des reinen Bildes. Ich glaube, daß es schließlich das Ende eines Zyklus ist. Im Kino habe ich Lust, mir Zeit zu lassen, um mit der Kamera auf einem Gesicht zu ruhen, auf einer Landschaft, den Dingen und Situationen ihre Zeit zu geben, sich zu arrangieren, zu existieren.», so Laurent.

Giorgino bleibt trotz allem ein Kultfilm für die Mylène-Fans, weil er Zeugnis abglegt über die ersten Schritte dieser großartigen Künstlerin als wirkliche Schauspielerin.


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Mylène FArmer